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Literarische Lieblinge vom Förderverein Leselust

DIE ENKELIN

Autor: Bernhard Schlink

Roman, erschienen im Diogenes Verlag 2021, 367 Seiten

 


Darum geht es:

Beim Ordnen des Nachlasses seiner verstorbenen Frau Birgit, muss der Berliner Buchhändler Kaspar erkennen, dass er sie in ihrer langjährigen Ehe nicht wirklich gekannt hat. Aus Liebe verhilft er ihr 1964 zur Flucht in den Westen. Er ahnt nicht, dass sie in der DDR ihre kleine Tochter zur Adoption zurücklässt. Nach dem Fall der Mauer unternimmt Birgit zwar hin und wieder den Anlauf, ihre Tochter zu finden, schafft es aber dann doch nicht, sich ihren Schuldgefühlen zu stellen. Daher macht sich Kaspar auf den Weg. Nach mehreren Hinweisen findet er Birgits Tochter. Sie ist verheiratet und hat eine 14-jährige Tochter. Sie leben fest verankert in einer völkisch-deutschnationalen Gemeinschaft auf dem Land. Die Tochter Svenja ist abweisend, aber seine Stief-Enkelin Sigrun freut sich, in ihm einen Großvater zu bekommen. Beide nähern sich an, obwohl er über ihre völkisch-rechten Ansichten schockiert ist. Er versucht, ihr eine andere Welt durch Bücher und Musik zu offenbaren. Kann er sie erreichen?

Warum mir dieses Buch gefällt:

Mir gefällt die klare, präzise Sprache des Autors, mit der er die Gefühle und Schicksale von Menschen in den politischen Systemen vor und nach der Wende bewegend erzählt.

Einfühlsam wird die Not der geflüchteten Birgit beschrieben, die weder in der DDR noch in der BRD eine Heimat findet und unfähig ist, sich ihrer Lebenslüge zu stellen. Alkohol gibt Trost. Einen starken Teil des Buches stellt die Trauer von Kaspar dar, der erkennt, was Verschweigen in einer Beziehung anrichtet und wie bei aller Nähe eine tiefe Distanz in der Ehe entsteht.

Interessant waren auch die Biografien der Menschen, denen Kaspar auf der Suche nach der Tochter begegnet. Besonders beklemmende Einblicke gibt der Autor in die völkische Lebensweise mit ihren Ansichten und Gebräuchen.

Bis zuletzt hält das Buch die Spannung, ob Sigrun es über die Jahre schaffen wird, sich ein selbstbestimmtes Leben fernab der völkischen Gemeinschaft aufzubauen.

Ein Buch, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt.

Viel Freude beim Lesen,
Maria Pachali

 

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